Die Entstehung des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts steht in einem engen Zusammenhang mit der sogenannten Schlacht am Morgarten im November des Jahres 1315. Nachdem ein Jahr zuvor Einwohner des Dorfes Steinen (in der Nähe von Schwyz) das Kloster Einsiedeln überfallen hatten, zog der Schutzherr des Klosters, Herzog Leopold I von Habsburg, von Brugg oder Baden (heute Kanton Aargau) aus mit einem Heerhaufen gegen die Hirten und Bauern. Ob der aargauische Herzog noch andere Gründe gehabt haben könnte, in der Innerschweiz einen Nachweis seines Machtanspruchs zu führen, ist umstritten.
Als Hauptgrund der Auseinandersetzungen gilt der "Marchenstreit", bei dem es in der Hauptsache unterschiedliche Ansichten zur Nutzung von Wald, Feld und Flur ging. Am Rande des Ägerisees in einem Gelände, das "Figlenfluh" genannt wird, traf Leopold unterhalb des Morgartenberges mit seinen Gefolgsleuten aus dem Aargau, dem Thurgau und verschiedenen Städten der heutigen Schweiz auf die Einwohner von Steinen. Überraschend gelang es diesen, Leopold und seine Mannschaft zu schlagen. Für manchen Schweizer gilt die Niederlage des Herzogs als Teil eines Gründungsmythos der Eidgenossenschaft.
Vor Beginn der Schlacht hatte Leopold im Verlauf eines Kriegsrates seinen Hofnarren um einen Ratschlag gebeten. Der Rat des Kuony von Stocken, man solle lieber darüber nachdenken, wie man aus der Gegend heil wieder herauskomme, wurde jedoch nicht berücksichtigt. Nach der verlorenen Schlacht durfte der Narr dennoch für seinen weisen Rat einen Wunsch äußern. Er bat darum, dass in seiner Geburtsstadt Stockach einmal jährlich, zwischen Lichmess und Lätare, von den Einwohnern Gericht gehalten werden darf.
Obgleich Stockach nellenburgischem Recht unterworfen war, erfüllte 1351 Herzog Albrecht II, der Bruder Leopolds, diese Bitte und stellte ein Privileg aus. Bis heute beruft sich das Stockacher Narrengericht auf diesen sogenannten "Hauptbrief". Er existiert nicht mehr, weil er immer wieder neu abgeschrieben wurde. Die derzeit gültige Fassung stammt aus dem Jahr 1743. Schweizer Chronisten des 15. und 16. Jahrhunderts wie Junginger oder Tschudi berichten nachträglich über Kuonys Auftritt im Kriegsrat. In den Chroniken von Schilling und Tschachtlan sind Darstellungen des Narren inmitten einer Schlacht zu sehen.
Die Abhaltung dieses Narrengerichts wurde im Laufe der Zeit immer wieder verboten und ausgesetzt, doch bis heute hat sich dieser Brauch gehalten und etabliert. Früher wurden alle dummen und närrischen Streiche, alle menschlichen Schwächen und Torheiten übers Jahr gesammelt, aufgeschrieben und dann ohne Rücksicht abgehandelt. Im Mittelalter war dies am Aschermittwoch, später dann am Fasnachtsdienstag. Die "Missetaten" wurden öffentlich verlesen, gebührend glossiert und der Betroffene (damals war das der kleine Bürger) schonungslos dem Spott der Umstehenden preisgegeben.
Der Brauch artete manchmal recht übel aus und die vielgepriesene Narrenfreiheit schlug des öfteren ins Umgekehrte um. Das Narrengericht fand somit nicht immer die ungeteilte Begeisterung und wohlwollende Duldung der Obrigkeit, geschweige denn die der Einwohner und Betroffenen selbst.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts verschwand die Abhaltung des Narrengerichts ganz, nicht aber die Institution als solche. Das Kollegium betrachtete sich nun als Hüterin des Brauchtums und als Organisationskomitee. Als närrisch-juristische Institution trat das Stockacher Narrengericht erst im Jahr 1960 wieder an die Öffentlichkeit. In Singen wurde gegen den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Kurt-Georg Kiesinger verhandelt. Ab 1965 wurde dann mit Ausnahme des Jahres 1991 (Golfkrieg) jährlich gegen prominente Politikerinnen oder Politiker in Stockach verhandelt.
Heute findet die närrische Gerichtsverhandlung am "Schmotzige Dunschtig" nach dem Narrenbaumsetzen um 17:00 Uhr in der Jahnhalle statt. Die Strafe erfolgt jeweils in Eimern Wein. Der Eimer misst
ca. 60 l und ist ein altes Hohlmaß aus vorderösterreichischer Zeit. Seit einigen Jahren ist die Verhandlung am gleichen Abend in Ausschnitten im Dritten Programm des Landessenders
Baden-Württemberg zu sehen.
Das Kollegium besteht satzungsgemäß aus maximal 21 Gerichtsnarren. An der Spitze steht der Narrenrichter Jürgen Koterzyna. Er wird aus den Reihen des Kollegiums gewählt und gilt als "primus inter pares". Ihm zur Seite steht die weitere Vorstandschaft mit Laufnarrenvater Michael Zehnle, Narrenschreiber Marcel Reiser und dem Säckelmeister Oliver Kaufmann.
Für die Mitgliedschaft im Kollegium kann man sich nicht einfach bewerben. Wenn ein Sitz frei wird, wählen die Kollegen geheim und einstimmig einen Nachfolger. Dieser erfährt erst nach der Wahl von der Aufnahme in das Gremium. Es kann durchaus der Fall sein, dass sich das Kollegium auch einmal auf keinen potentiellen Kandidaten für ihre Reihen einigen kann. Dann bleibt dieser Platz im Narrengericht eben unbesetzt bis ein geeigneter Nachfolger ausgesucht, gewählt und installiert ist.