Eigentlich kennt der Autor den Bückling nur als schmackhaften Räucherhering. Dass es auch Räucherheringe in karierten Anzügen gibt, deren Verbiegungsgrad jeden Bananenkrümmungswinkel überbietet, hat sich als erstaunliche Erkenntnis der Stockacher Fasnacht im Jahr 665 n.K herauskristallisiert. Dass der Beklagte aus Bayern kommt, war ja klar. Solche Leute kommen immer nur aus Bayern. Sie reisen als Unschuld vom Lande, tragen eine Lederhose, wissen von nichts und leben im Bewusstsein, dass der Tod in Bayern eigentlich als Festtag gilt, weil anders der Nahkontakt zu Franz Josef Strauß nicht mehr machbar ist. Soweit die Vorurteile des Klägers. In Wahrheit war es natürlich völlig anders. Unschuld konnte er ohnehin nicht in Anspruch nehmen, das Thema hat sich generell seit 50 Jahren für jeden Beklagten mit der Ladung vor das Hohe Kollegium vorab erledigt. Statt mit Lederhose kam er im kleinkarierten Stoffgewand. Irgendwie untypisch, dieser Schützenkönig aus Peißenberg. Alexander Dobrindt outete sich als Brieffreund des baden-württembergischen Verkehrsministers und ließ sich durch das Dekolleté der Zeugin Sabine Endloser-Nachname so verwirren, dass er den Stockacher Stadtheiligen St. Oswald zum „Urvater der Straßenmaut“ empor stilisierte. Das war schlecht vorbereitet. Er hätte wissen müssen, dass in Stockach die Stadtheiligen mittlerweile der heilige Franz und der heilige Heiner sind. Dafür war ihm die Frage einer Umgehungsstraße um Espasingen herum schon eher geläufig, was aber kein Wunder ist. Diese Umgehung forderte schon im 14. Jahrhundert ein Stockacher namens Kuony, um auf seinen Reisen zwischen Stockach und
der Schweiz nicht auf damaligem bodmanischem Boden ausgeplündert zu werden (Maut!). Kurzum, mit Alexander Dobrindt kam einer jener Politiker nach Stockach, die den Tag durchaus genießen. Bei manchem ist es zu spüren, dass der Heilige Tag und der Auftritt vor dem Hohen Kollegium die seltene Gelegenheit bieten, mal so zu sein, wie man doch gerne sein möchte. Wenn da halt nur nicht immer die Berliner Politik und der Horst Seehofer und die Erwartungen der Menschen wären. Man muss sich als Kläger schon zusammenreißen, um den Beklagten nicht allzu sehr zu schätzen, jedenfalls nicht vor Beginn der Verhandlung. Hinterher mag man sich dann umso mehr. Alexander Dobrindt jedenfalls versprach alles vom Straßenbau bis zum Bierausschank in München/Berlin und vermutlich wäre er mit einer Minimalstrafe davongekommen, wenn da nicht diese entsetzlich tiefen Bücklinge gewesen wären. So, als ob auf dem Richterstuhl nicht der Narrenrichter Frank Bosch saß, sondern Franz Josef Strauß himself mit den Beisitzern Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist. Soviel Demut zu reklamieren, war dem Kollegium dann doch zu viel. Allerdings konnte der Minister auf diese Weise auch eine andere Nachricht versenden. Einer, der so schlank und rank daher kommt; einer, dem das Markenzeichen des bayerischen Bierbauchs völlig fehlt; einer, der sich so verbiegen kann, der kann auch Bundespolitik. Das war die olympiareife Botschaft. Der Kläger hat eine andere Version. Alexander Dobrindt verwechselte das Narrengericht mit der Turnstunde. So betrachtet, war die Strafe von drei Eimern für zehn Bücklinge dann doch angemessen.
Vom Archivar & Kläger Thomas Warndorf