Sie kam, sah und … naja, gesiegt hat sie nicht auf ganzer Linie. Zumindest nicht vor den Schranken eines hohen grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken. Denn hier wurde sie – zumindest in zwei von drei Anklagepunkten – schuldig gesprochen.
Aber ansonsten hat sie hat zweifelsohne jede Menge Herzen bei uns Stockemer Narren und bei unseren Gästen erobert. Malu Dreyer versüßte den Schmotzigen Dunnschtig 2017 in Stockach mit Ihrem ansteckenden Lachen und mit ihrer natürlichen und symphatischen Art.
Beginnend vormittags um 11.00 Uhr mit dem Empfang im Bürgerhaus Adler-Post, anschließend beim Kriegsratsspiel, beim Umzug, beim Narrenbaumsetzen, bei der Verhandlung in der Jahnhalle bis hin zum abschließenden Festbankett – die Ministerpräsidentin war mit Eifer und guter Laune mit von der Partie und ihr war die Freude an unserer Fasnacht anzusehen.
Liebe Malu Dreyer, vielen Dank für Ihren Besuch.
Was hat das Hohe Kollegium im Lauf unzähliger Verhandlungen von den Beklagten nicht schon alles ertragen, ansehen und anhören müssen. Guido Westerwelle glaubte, das Narrengericht sei etwas zu essen. Friedrich Merz bedauerte, dass die Erfindung der Menschenrechte ihn an der Ermordung des Klägers hindere und für Frank Walter Steinmeier stand fest: gleich hinter Stockach beginne Afghanistan und beim Gericht handele es sich in Wahrheit um eine Gruppe der Taliban. Man kann solche wirren Gedanken angesichts der drohenden Strafen einerseits verstehen. Andererseits darf man sich nicht wundern, wenn die Zahl der Eimer mit Strafwein ansteigt, je massiver die Vorwürfe ausfallen. Günter Öttinger hielt das Gericht für bestechlich und platzierte ein Fässlein Wein schon vorab auf der Gerichtsbühne. Es half nichts. Ebenso wenig wie der Versuch von Peter Müller, das Kollegium tot zu quatschen. Nicht einmal die tiefen Bücklinge des Alexander Dobrindt zeigten Wirkung. Und wirklich weiterhelfen konnte auch nicht die Weigerung von Heiner Geisler, den Narreneid zu schwören. Die jeweiligen Narrenrichter reagierten immer mit Würde. Angesichts körperlicher, sprachlicher oder strategischer Verrenkungen der Beklagten erhöhten sie durchaus spontan die eine oder andere Strafe um einen halben Eimer oder noch mehr. Weshalb die Beklagte Malu Dreyer trotzdem in der Verhandlung mit dem Feuer spielte und sich so zusätzliche Eimer einhandelte, bleibt ihr Geheimnis.
Der „Heilige Tag“ fing nicht schlecht an. Erstens war das Wetter gut, zweitens traf Malu Dreyer pünktlich in Stockach ein und drittens erwies sich die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz schon bei der morgendlichen Kaffeerunde im Ochsen als äußerst wissbegierig. Was man in Stockach während der Fasnacht rufe, wollte sie wissen. Kaum war sie informiert über das Stockacher „Narro“, probierte sie den Narrenruf gleich beim erstbesten Hotelgast aus. Und scheiterte. Es gab nicht die erhoffte Reaktion. Kein Wunder, denn beim Angesprochenen handelte es sich um ein Mitglied der Delegation aus der Stockacher Partnerstadt La Roche-sur-Foron. Dem hatte aber auch noch niemand gesagt, wie man sich am Schmotzige Dunschdig in Stockach begrüßt. Später, auf der Straße, klappte es dann aber vorzüglich und für den Rest des Tages und des Abends tauchte die Beklagte mit dem Ehegatten und weiterer Begleitung aus der Mainzer Staatskanzlei in die Tiefen der Stockacher Fasnacht ab, als habe sie ihren Lebtag nie etwas anderes getan. Man spürte schon, dass Malu Dreyer im Umgang mit Menschen innerhalb und außerhalb der närrischen Tage nichts anbrennen lässt. So weit, so gut also.
Tagsüber war es im Übrigen nicht einfach, ihrem Tempo zu folgen. Die Beklagte verfügte über ein kleines Elektrogefährt, das sie wegen ihrer Krankheit benötigt. So sah man sie also vierrädrig auf der Hauptstraße immer voraus, während dahinter in mehr oder weniger großem Abstand der Rest der Begleitung samt Narrenrichter, Fürsprech und Kläger im wehenden Talar hinterher rannte. Das mache sie immer so, hieß es. Bis zum Abend hatte der Kläger jedenfalls mehr Kilometer zurückgelegt als sonst üblich und dass Helen Fischers „Atemlos“ sicher während eines gemeinsamen Termins mit Malu Dreyer entstanden ist, kann nicht bezweifelt werden. Auf jeden Fall aber hatte sich die Beklagte tagsüber so viel Sympathie in der Stadt eingehandelt, dass in der Verhandlung eigentlich nichts mehr schiefgehen konnte und bestenfalls eine kleine Weinstrafe zur Disposition stand. Es kam anders.
Des Klägers grobe Anklage und des Fürsprechs günstige Verteidigung ließ Malu Dreyer lächelnd über sich ergehen. Ganz die „nette Malu“ eben, wie sie in einem Beitrag der „Hans-Kuony-Post zuvor noch bezeichnet worden war. Auch den Auftritt des Zeugen Guido Wolf samt dessen dreideutiger Aussagen nahm sie mit Gelassenheit zur Kenntnis. Aber mochte dieser Zeuge noch eher als Schaf im Wolfspelz erscheinen, drehte sich der Eindruck alsbald.
Malu Dreyer zeigte, dass sie bei aller Nettigkeit umgekehrt auch einmal der Wolf im Schafspelz sein kann. Kaum hatte sie ihre Verteidigungsrede begonnen, stockte dem Saal der Atem. Die Beklagte hatte das Hohe Kollegium doch tatsächlich mit dem Titel „Grobbrünstiges Narrengericht“ versehen. Und das zweimal hintereinander. Es war dem Narrenrichter zu viel des Guten. Vorab eigentlich eher milde gestimmt, nahm das Schicksal nun seinen Lauf. Da mochte die Beklagte am Ende ihrer Rede auch noch so gottgefällig zum Gebet anheben, es änderte nichts mehr. Am Ende stand eine saftige Strafe von zweieinhalb Eimern, also 150 Liter Wein. Das waren die Worte des Narrenrichters. Nun geschah was Recht ist.
Es ist halt wie sonst auch in der Politik. Man sollte keine Fehler machen. Auch nicht während der Fasnacht. Allerdings, das Kollegium freut sich. 150 Liter Wein holt man sich im Laufe des Jahres 2017 doch gerne in Trier ab.
Von Kläger Thomas Warndorf